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Sommerreise 2022 Bundesumweltministerin Steffi Lemke
Das Biosphärenreservat Mittelelbe war Ende August 2022 Tagesstation in der Sommer- und Pressereise der Bundesumweltministerin Steffi Lemke. Im Fokus der Ministerin, die mit einer 25-köpfigen Gruppe aus Medienvertretern und Ministeriumsmitarbeitern unterwegs war, standen an drei aufeinanderfolgenden Tagen u.a. Themen des Natur- und Klimaschutzes, des Artenschutzes sowie regional initiierte nachhaltige Bewirtschaftungsweisen. Auf einer Schiffsfahrt mit Havelfischer Wolfgang Schröder (Partnerbetrieb des Biosphärenreservates Mittelelbe) erkundete die Ministerin die Havel und ließ sich von Projektleiter Rocco Buchta (Nabu, Projektträger) das Naturschutzgroßprojekt „Untere Havelniederung“ erläutern. Mit einem Projektgebiet von rund 18.700 ha ist es das größte Auen- und Flussrenaturierungsprojekt Europas mit entsprechender Beispielwirkung. Die Wechselwirkungen erzeugende Vernetzung von Fluss und Aue sowie Altarmanschlüsse und Rückbau von Uferbefestigungen werden als Projektziele seit 2005 geplant und schrittweise umgesetzt.
(25. August) Der Biosphären-Imagekampagnenballon** war aufgestellt und stand mit ganzer Größe - sowohl für den Weg zum Informationszentrum Auenhaus als auch für die eigentliche Botschaft; Natur- und Umweltschutz ist dringend, ist eine globale Sache, unsere Erde ist robust und verletzlich, es muss allen bewusst gemacht werden.
Im Fluss-Biosphärenreservat Mittelelbe hängt „alles, was uns lieb ist, am Wasser“, mit diesem Leitsatz begrüßte Guido Puhlmann, Leiter der Reservatsverwaltung, Bundesumweltministerin Steffi Lemke und die Delegation, die sie begleitete. „Es ist schön, dass Sie alle hier sind“, so die persönliche Begrüßung der Ministerin am Auenhaus. Steffi Lemke ist im Biosphärenreservat keine Unbekannte. Sie stammt aus Dessau, hat von dort aus nach der Wende die Grüne Partei im Osten mitgegründet, hat in verschiedenen Ämtern gewirkt, die Partei mitgeprägt. Mit der Elbe- und Muldelandschaft ist sie aufgewachsen, daher auf besondere Weise mit ihr verbunden. Sie fährt, trotz knapper Freizeit, nach wie vor sehr gern Kanu auf der Elbe, berichtete sie. Es sei schön, immer wieder die Flussperspektive zu sehen, meinte Steffi Lemke.
Nach einer kurzen Besichtigung des Auenhauses und spannenden Erläuterungen zum Modell einer Binnendüne mit (noch) blühender Sand-Silberscharte darauf, ging es in Richtung Vockerode, Projektgebiet des EU-Life+-Projektes „Elbauen bei Vockerode“. Zwischen 2011 und 2018 war dort auf rund 800 ha Projektgebiet, das zum Weltkulturerbe Gartenreich Dessau-Wörlitz zählt, die Rückgewinnung von Überflutungsfläche wesentliches Projektziel. Zudem Waldumbau und Auenwaldneupflanzung mit standortheimischen, auentypischen Baumarten und die Wandlung von ehemaligen Ackerflächen in wertvolles, artenreiches Auengrünland. Ein Sommerhochwasser (Juni 2013) beschleunigte damals spontan die Vorgänge im Projekt, erfuhr die Ministerin, es durchbrach den Gatzer Bergdeich an zwei Stellen.
Mitte August war an der mittleren Elbe ohnehin Jahrestag; vor 20 Jahren hielt auch ein Hochwasser die ganze Region an Mulde und Elbe in Atem. Es verursachte große Sachschäden, prägte allerdings in den Jahren danach einen veränderten Blick auf die Themen Flussaue, Nutzung und natürlicher Hochwasserschutz mit Auenflächen. Schon in den 1990er Jahren ausgearbeitete Möglichkeiten für Deichrückverlegungsprojekte rückten konkreter in den Blickpunkt von Ministerien, wasserfachlichen Institutionen und Verbänden.
Mit den Worten „Hatten wir vor 20 Jahren zu viel Wasser, haben wir jetzt zu wenig davon.“ leitete Guido Puhlmann seinen Bericht ein, ließ die Ereignisse von damals kurz Revue passieren und verknüpfte sie mit dem langen, abstimmungsintensiven Werdegang von Naturschutz(groß)projekten. Der WWF-Deutschland fungierte seinerzeit mehrfach als Projektträger, viele in der Region fachkundige Partner waren, auch mit finanziellen Mitteln, dabei. Die Biosphärenreservatsverwaltung Mittelelbe war gefragter, erfahrener Naturschutz-Fachpartner. Ein Sommerdeich (Gatzer Bergdeich) wurde im Projektverlauf geöffnet, der Weg fürs Leben spendende Hochwasser freigemacht. Seither gab es allerdings kein Hochwasser mehr. Inmitten des Projektgebietes, begrenzt vom Sieglitzer Park, der Autobahn A 9 und der Ortschaft Vockerode, ließen sich mehrere Jahre nach Projektabschluss, die Erfolge der Maßnahmen besichtigen. Junger Auenwald, typisches Grünland und ein touristischer Pfad, der durchs Gebiet führt. Einziges Manko, so Puhlmann, sei die seit nunmehr etlichen Jahren nicht mehr eingetretene Überflutung der neu gewonnenen Auenfläche. „Das Wasser fehlt, die Aue braucht es und zwar regelmäßig.“ so Puhlmann. Einige Kormorane zogen über die Elbe, bei genauem Hinsehen war am Gewässerufer auch ein Graureiher auszumachen, die Vogelwelt machte sich ansonsten rar.
Weiter ging es durch den Sieglitzer Park zur Elbe am Kilometer 250, in ein weiteres Projektgebiet: Renaturierung von Fluss, Altwasser und Auenwald. Von 1997 bis 2001 bearbeitet und erfolgreich abgeschlossen mit dem WWF als Träger und Mitfinanzierer. Im Rahmen des Projektes wurde ein im 20. Jahrhundert abgetrennter Altarm (der „Kurze Wurf“) wieder an den Elbestrom angebunden, Auenwald neu angelegt. Niedrigwasser und Trockenheit gilt als Problem allerorten, so auch an der Elbe, dem drittgrößten deutschen Strom. Denn: Die Elbe ist eine Besonderheit in Deutschland bzw. in Mitteleuropa; Fluss und umgebendes Auenland mit der darin lebenden Fauna und Flora sind hier noch geprägt durch eine relativ natürliche Flussdynamik mit regelmäßigen Überschwemmungen der Aue. Die Kräfte des Wassers, die Seitenerosion, der Sedimenttransport, die Formung neuer Lebensräume für auentypische Arten könnten mit dem anhaltenden Niedrigwasser nicht ausreichend einwirken. „Die Teil-Öffnung einer Staustufe auf tschechischem Elbegebiet hat einige Zentimeter mehr Pegel gebracht, insgesamt jedoch zu wenig, um echte Abhilfe zu schaffen“, führte der Leiter der Biosphärenreservatsverwaltung weiter aus.
Die Eintiefung des Flussbettes sorgt für problematischen Zustand der Vegetation und auch der Buhnen. Das skizzierte Modell einer ökologischen Buhne – im Vergleich zu einer herkömmlichen - hatte der Wasserbau-Diplomingenieur und Biosphärenreservatsleiter Puhlmann dabei. Er erläuterte daran, wie durch geschickte Bauweise Lebensräume in und am Fluss entstehen. Steffi Lemke betonte: „Mit solchen Maßnahmen verdeutlichen wir, dass Naturschutz kein „Gedöns“ ist, sondern aktiver Dienst an der Gesellschaft.“ Dass sie Interessenkonflikte, die langfristiger Naturschutz mit sich bringt, kennt und auch nicht scheut, dafür sprach ihre Einschätzung, es sei „ ein Ringen“. Die Elbe sei in der deutschen Politik stets vorrangig als Wasserstraße gedacht worden, der Naturschutz sei dagegen nie so recht angekommen. Mit den Praxisbeispielen verbinde sich die Zuversicht, dass Dürre und ihre Auswirkungen nunmehr Änderungen bewirke. Sie setze sich dafür ein, sagte Lemke.
Ein drittes großes und aktuell laufendes Renaturierungsprojekt „Mittlere Elbe - Schwarze-Elster“, getragen von der Sielmann Stiftung, war abschließend noch im Gespräch. Vorgestellt und erläutert wurde es von Stiftungsvorstand Michael Beier, der zu den wesentlichen naturschutzfachlich miteinander eng verzahnten Zielstellungen berichtete, zum Beispiel:
- Erhalt und Verbesserung der Auen-Anbindung an den Elbstrom, Reduktion der seit Jahren problematischen Sohlerosion (Eintiefung des Flussbettes) und
- Wiederherstellung einer naturnahen Morphodynamik der Schwarzen Elster (Elbezufluss im Landkreis Wittenberg) mit aktiver Seitenerosion.
**Die 727 Biosphärenreservate der Erde leisten Tag für Tag Pionierarbeit, initiieren und leben Richtung gebende Ideen für das nachhaltige Zusammenleben der Menschen mit der Natur, dem sich ändernden Klima und den uns zur Verfügung stehenden natürlichen Ressourcen. Die MitarbeiterInnen der 18 deutschen Biosphärenreservate zeigen dies der breiten Öffentlichkeit 2022 mit einer Imagekampagne „Deine Biosphären – Verrückt-auf-morgen