Grundlagen
Hochwasserereignisse stellen im jahreszeitlichen, meteorologisch-hydrologischen Gang völlig normale Ereignisse in einem Fließgewässer dar. Die dadurch hervorgerufene Dynamik stellt die Grundlage für alle am Fließgewässer vorhandenen Lebensraumtypen und Lebensgemeinschaften dar. Im menschlichen Sinne werden Hochwässer im Regelfall allerdings als etwas „unnormales“ oder gar „unnatürliches“ aufgefasst oder zumindest als störend empfunden. Daraus erwächst auch der häufig verwendete Begriff einer Naturkatastrophe, obwohl die Natur in Verbindung mit Hochwässern eigentlich keine Katastrophe kennt.
- Hochwässer sind durch die Wasserspeicherbedingungen des Einzugsgebietes umgewandelter Niederschlag. Im Rahmen der natürlichen Speicherbedingungen sind Hochwasser daher ein Teil des natürlichen Wasserkreislaufes. Hochwässer wird immer dann ausgelöst, wenn große Wassermengen in kurzen Zeiträumen in den Bach- und Flusstälern dem Gefälle folgend zusammenlaufen. Regen sowie das bei Tauwetter aus Schnee und Eis freigesetzte Schmelzwasser sind die Quellen des natürlichen Hochwassers.
- Wesentlich für die Form der ablaufenden Hochwasserwelle ist, neben dem insgesamt transportierten Wasservolumen, das zeitliche Aufeinandertreffen der Wassermengen. Der dadurch entstehende Wasserstand richtet sich jedoch auch nach den örtlich-regionalen Randbedingungen wie Gefälle und Gewässerbett, Verfügbarkeit des Hochwasserüberflutungsgebietes und des Bewuchses.
- In Fließgewässern spricht man von Hochwasserereignissen, wenn sich die Wasserstände und Abflüsse des Gewässers deutlich über „normalen“, d. h. den mittleren Werten bewegen. Dabei sind Hochwässer ein Bestandteil der hydrologischen Schwankungsbreite der Fließgewässer.
- Die angeführten verschiedenen Wasserstände und Abflüsse, die so genannten hydrologischen Hauptzahlen, werden in ihrer Statistik immer auf einen konkreten Beobachtungszeitraum, so z. B. auf ein Jahr oder auch auf mehrere Jahrzehnte, bezogen. Hochwasserabflüsse gehören dabei, ebenso wie Niedrigabflüsse, zur natürlichen Wasserführung dazu.
- Die natürliche Dynamik des Wasserstandes ist im Fließgewässer und in den Auenbereichen der Flüsse und Bäche der bestimmende Faktor für die Entwicklung und Erhaltung der standort- und naturraumtypischen Lebensräume und Lebensgemeinschaften. Hiervon sind die Grundwasserstandsdynamik, die Morphodynamik (Uferabbrüche) und Akkumulation von Sanden, Kiesen und Schlämmen, die Standort- und Vegetationsdynamik, z. B. in Form der Entwicklung von Auenwäldern, der Nährstoffeintrag und der Organismenaustausch abhängig.
- Während die Flora und Fauna von Gewässern in der Überflutungsaue natürlich verlaufende Hochwasserereignisse für deren Existenz unbedingt benötigt, können Hochwässer in bewohnten Gebieten für die hier lebenden und arbeitenden Menschen und deren materielle Güter große Gefahren bedeuten.
Hochwasserschutzmaßnahmen
Neue Konzepte eines ökologisch vertretbaren Hochwasserschutzes werden noch nicht ausreichend in die Praxis umgesetzt, wie
- Wiederbewaldung und Gewässerrenaturierung bei kleinen Fließgewässern in den oberen Einzugsgebieten, insbesondere in Starkregenrisikogebieten sowie gleichzeitige Flächenentsiegelung.
- Maßnahmen zur Erhöhung der Gerinnerauhigkeit mit der grundlegenden Zielstellung einer zeitlichen Streckung der Hochwasserwelle (Reaktivierungen von Elbealtarmen bei gleichzeitiger Deichrückverlegung, Neuanlage von Auwald).
- Deichrückverlegungen mit dem Ziel der Aufweitung hydraulisch ungünstiger Abflussquerschnitte und der Erreichung lokaler Wasserspiegelsenkungen sowie Vermeidung von senkrecht zur Strömung liegenden Deichabschnitten (Eisversatzgefahr).
- Vermeidung unverhältnismäßiger Eingriffe, welche sich teilweise nicht ersetzen und ausgleichen lassen. Dies trifft bei sehr alten und schützenswerten Baumbestand am und im Deich zu. Hier sollten Deichneutrassierungen und/oder einseitige Deichverstärkungen angestrebt werden.
- Unterbindung sohlerosionsfördernder Ausbaumaßnahmen und Umsetzung geeigneter Maßnahmen zur entscheidenden Minimierung bereits erfolgter Sohlerosionen, insbesondere im Bereich der Mittelelbe zwischen Torgau und Wittenberg.
- Grundlegende Umstellung ungeeigneter landwirtschaftlicher Flächennutzungen, d. h. Aufgabe intensiver Ackerkulturen und Richtung extensiver Grünlandnutzungen oder Auwaldneuanlage. Neben verschiedenen Flächen in der rezenten Überflutungsaue betrifft dies vor allem Flutungspolder im Bereich der unteren Havel. Hier sollten ökologisch orientierte Flutungen außerhalb von Extremhochwässern wassergütewirtschaftliche Extrema vermeiden helfen und ökologische Anpassungen fördern.
Elbehochwasser 2002
Die Hochwässer an der Elbe treten oft durch intensiven Regen oder intensive Schneeschmelze auf. Im August 2002 sorgte das Tiefdruckgebiet „Ilse“ für eine extreme Wetterlage, die so genannte 5b-Wetterlage. Feuchte Mittelmeerluft zog an den Ostalpen in Richtung Böhmen und Sachsen. Im Erzgebirge fielen flächendeckende Starkniederschläge, die auf einen Wasser gesättigten Boden trafen. So wurden 312 l/m² Regen auf der Wetterstation in Zinnwald gemessen. Die mehrstündigen Niederschläge tropischen Ausmaßes verwandelten die Nebenflüsse der Oberen Elbe in kürzester Zeit in Ströme, die Bahndämme, Straßen, Brücken und Häuser mit sich rissen. So schwoll der Bach „Wilde Weißeritz“ in wenigen Stunden auf das 120-fache des üblichen Abflusses an. Die Dresdner Altstadt, ursprünglich Teil des Elbe-Flussbetts, wurde überflutet. Als sich die Situation entspannte, kamen von der Elbe weitere Wassermassen von Böhmen nach Sachsen. In Dresden wurde am 17.08.2002 der höchste gemessene Pegelwert von 9,40 m erreicht. Durchschnittlich liegt der Wert hier bei 2 m. Teile der historischen Dresdener Altstadt waren über mehrere Tage überflutet. Täglich wurden weitere Dammbrüche bei Dörfern und Städten des Oberlaufes gemeldet.
Dessau war ebenfalls vom Hochwasser betroffen. Die Mulde, ein Nebenfluss der Elbe, hatte sich durch diese extremen Niederschläge im Erzgebirge in einen reißenden Strom verwandelt. Die Flut zog nach Dessau, dem Mündungsgebiet der Mulde in die Elbe. Die Mulde konnte wegen des Hochwassers der Elbe nicht ausreichend abfließen und staute sich zurück. Dämme brachen und setzen den Stadtteil Dessau-Waldersee unter Wasser. Ein Dammbruch an der Mulde, der zur unkontrollierten Flutung des Tagebaurestlochs Goitzsche führte, brachte Entspannung. Das Tagebaurestloch Goitzsche nahm 44 Millionen m³ Muldewasser in wenigen Tagen auf, eine kontrollierte Flutung war ursprünglich in einem Zeitrahmen von 10 Jahren geplant gewesen.
Die Hochwassersituation entschärfte sich unterhalb von Dessau. Hier konnten Elbauenwälder des Biosphärenreservates einen Teil des Hochwassers aufnehmen. Zudem brachte die Saale kein weiteres Hochwasser in die Elbe. Das Pretziener Wehr wurde geöffnet und brachte der Domstadt Magdeburg Entspannung. Große Teile des Elbewassers wurden um die Magdeburg herumgeleitet. Die Öffnung des Wehres brachte die wesentliche Senkung des Hochwasserspiegels.
Bei Neuwerben ergossen sich 200 Kubikmeter Wasser pro Sekunde kontrolliert erstmals in die Havelpolder. Der Spiegel der Elbe sank für mehrere Tage. Davon profitierten die Prignitz, die flussnahen Regionen Sachsen-Anhalts, Niedersachsens und Schleswig-Holsteins.
Überdurchschnittlich starke Regenfälle waren die Ursache des Elbehochwassers. Die Schadensbilanz hätte ohne frühere wasserbauliche Eingriffe in Fluss und Aue weniger erschreckend ausfallen können. Die Elbe ist auf deutschem Gebiet fast durchgehend begradigt und eingedeicht. Über 80 % des natürlichen Retentionsvermögens (2,4 Mrd. m²) gehen so verloren. Straßen, Wohngebiete und Gewerbegebiete stehen direkt in den Flussauen. Die Abholzung des Waldes in den Kammlagen des Erzgebirges in frühindustriellen Zeiten sowie die Schädigung der Bergwälder durch Umweltbelastungen zählen zu weiteren Gründen für die extremen Folgen des Elbehochwassers.
Die Hochwasserschäden nur in Sachsen-Anhalt betragen ca. 2 Mrd. Euro Sachschäden, 87,5 Mio. Euro Schäden an Hochwasserschutzanlagen. Ca. 60.000 Menschen mussten zeitweise ihre Häuser und Wohnungen verlassen.
Hochwasser 2013
Informationsbesuch von Bundesumweltminister Altmaier zu Hochwasserschutzprojekten in der Region Dessau-Roßlau am 18.6.2013 - Vorstellung der ersten großen Deichrückverlegung an der Elbe bei Roßlau im Rahmen eines gemeinsamen Projektes vom Landesbetrieb für Hochwasserschutz Sachsen-Anhalt und der Biosphärenreservatsverwaltung Mittelelbe mit Unterstützung der Stadt Dessau-Roßlau
Ausführliche Informationen aus hydrologischer Sicht hier:
Besichtigung der geplanten Deichrückverlegung bei Vockerode. Das Projekt wird vom Landesbetrieb für Hochwasserschutz Sachsen-Anhalt, dem WWF als Träger gemeinsam mit der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz, der Biosphärenreservatsverwaltung Mittelelbe, der Gemeinde Vockerode und der Agrargenossenschaft Wörlitz e.G. umgesetzt.
Ausführliche Informationen zu dem Projekt hier:"Erweiterung der Hochflutaue im Biosphärenreservat Mittelelbe am Beispiel des Projektes Gatzer Bergdeich Vockerode" von Guido Puhlmann. - In: Naturschutz und Biologische Vielfalt 216. - Schriftenreihe des Bundesamtes für Naturschutz, Bonn.