Oranienbaumer Heide

Das rund 2.000 ha große Natura 2000-Gebiet „Mittlere Oranienbaumer Heide“ liegt zwischen den Städten Oranienbaum und Dessau im Einzugsbereich der unteren Mulde. Die Oranienbaumer Heide ist geologisch zweigeteilt. Im Süden des Gebietes dominieren Moränenzüge als Ausläufer der Gräfenhainichen-Söllichauer Platte, bei der es sich um eine Grundmoräne mit den Resten eines Endmoränenzuges, hervorgegangen aus der Dübener Randlage des Drenthestadiums der Saalekaltzeit, handelt. Der Nordteil hingegen befindet sich im Bereich des Magdeburger Urstromtales, wo durch Elbe und Mulde Niederterrassen aufgeschottert wurden und in der Folge das Oranienbaumer Talsandgebiet entstand.

Das Natura 2000-Gebiet ist großflächig durch folgende, nach Anhang I der Fauna- Flora-Habitatrichtlinie europaweit besonderes gemeinschaftliches Interesse erfahrenden Lebensraumtypen gekennzeichnet:

  • Trockene Sandheiden mit Besenheide und Ginster
    (auf Binnendünen) (LRT 2310)
  • Dünen mit offenen Grasflächen mit Silbergras und Straußgras (LRT 2330)
  • Trockene europäische Heiden (LRT 4030)
  • Trockene, kalkreiche Sandrasen (LRT 6120*)
  • Flüsse der planar- montanen Stufe mit Vegetation des Flutenden Hahnenfußes (LRT 3260)
  • Feuchte Hochstaudenfluren der planar- montan-alpinen Stufe (LRT 6430)

Die Oranienbaumer Heide gilt als eine Landschaft, die einer ständig wechselnden Veränderung des jeweiligen Anteils von Wald- und Offenlandflächen unterlag. Bis ins 18. Jahrhundert wurden die Wälder intensiv zur Brenn- und Bauholzgewinnung, Streuentnahme und Jagd genutzt. Namen wie die "Oranienbaumer Hutung“, südwestlich der Stadt Oranienbaum zeugen außerdem von Hutenutzungen, v.a. mit Schweinen, Rindern, Schafen und Ziegen. Im späten 19. Jahrhundert bzw. den ersten Dekaden des 20. Jahrhunderts hielt man in dem Gebiet auch Rot- und Damwild in Gattern. Mit Einführung der preußischen Forstwirtschaft im 18. Jahrhundert, erfuhr das Gebiet bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts eine weitgehende Nutzungsänderung und Umwandlung in Kiefernforste.

Mit der Einrichtung des Truppenübungsplatzes "Möhlau-Sollnitz“ ab 1945 vollzog sich ein großflächiger Landschaftswandel. Während bis 1956 zunächst nur kleinflächige Auflichtungen durchgeführt wurden, erfolgten bis 1964 großflächige Abholzungen. Die angrenzenden Waldbereiche und die bis dahin durch Brand und Abholzung geschaffene Freifläche von insgesamt 1.000 ha wurden nachfolgend als Schießplatz für Schützenwaffen, kleinkalibrige Artillerie und Panzerfahrbetrieb genutzt. Bis 1966 vergrößerte sich der gesamte Truppenübungsplatz auf 2.500 ha und es wurden neben Schießbahnen auch Tanklager sowie Schießhäuser errichtet. Bis zum Ende der 1970er Jahre vergrößerte sich der Übungsplatz v. a. auch durch regelmäßige Brände in den Randbereichen (z.B. in den Feldlagern) bis auf 4.067 ha. Bis 1991/92 zogen die ehemaligen sowjetischen Streitkräfte vollständig aus dem Gebiet ab und hinterließen eine große, anthropogen überprägte und fast gehölzfreie Offenlandfläche mit vielen Rohbodenstellen sowie bereits großflächigen Sand-Heide-Biotopen. Allerdings wurden nach Beendigung des militärischen Übungsbetriebes 1992 auch die damit verbundenen Risiken sichtbar: munitionsbelastete Flächen, nur unter Gefahr passierbare Wege und Waldabschnitte, Belastung der oberen Bodenschichten durch Verdichtung und Öl/Treibstoffe sowie Metallschrott. Eine weitergehende Nutzung des Gebietes, z.B. unter forstwirtschaftlichen Gesichtspunkten, war entsprechend der in Sachsen-Anhalt geltenden Kampfmittel-Gefahrenabwehrverordnung ausgeschlossen.

Trotzdem konnte sich infolge der geologischen Bedingungen, aber auch der vorangegangenn unterschiedlichen Nutzungsintensitäten im zentralen Bereich der Oranienbaumer Heide auf ca. 1.000 ha ein Mosaik aus FFH-Offenlandlebensraumtypen, in Kombination mit Gras- und Krautfluren, kleinräumigen Feuchtbereichen, Gebüschen, Baumgruppen und Pionierwäldern erhalten und entwickeln. Das Gebiet gilt überregional als herausragendes Refugium für bestandsbedrohte Lebensräume und Tier- und Pflanzengemeinschaften und zählt zu den biotop- und artenreichsten Gebieten in Sachsen-Anhalt. Eine Zusammenstellung gefährdeter oder stark gefährdeter Arten, für die Nachweise aus den letzten Jahren aus der Oranienbaumer Heide vorliegen, befindet sich am Ende dieses Artikels.

Eine in der Vegetationsperiode 2007 durchgeführte Biotop- und Lebensraumtypenkartierung (HS Anhalt, 2007) machte jedoch auch deutlich, dass ca. 15 Jahre nach Einstellung der militärischen Nutzung die durch die Pionierbaumarten Sand-Birke, Wald-Kiefer und Zitter-Pappel sowie z.T. durch die neophytische Spätblühende Traubenkirsche geprägte Verbuschung auf einem Großteil der Heideflächen relativ weit fortgeschritten ist. Ebenso befanden sich bereits größere Bestände der Besenheide in der Altersphase, d.h. vegetative Verjüngung war kaum zu beobachten, Keimlinge bzw. Jungpflanzen fehlten vollständig. Problematisch waren auch insbesondere in den basenreichen Sandrasen Verbrachungstendenzen mit mehrjährigen, konkurrenzstarken Arten sowie eine zunehmende Vergrasung der Silbergraspionierfluren auf den Binnendünen. Infolgedessen konnte der Erhaltungszustand auf vielen Flächen nur mit mittel bzw. schlecht eingestuft werden.

Zur Entwicklung bzw. Gewährleistung eines günstigen Erhaltungszustandes sowie die Sicherung der Lebensräume von Tier- und Pflanzenarten, denen nach Anhang II und IV der Natura 2000-Richtlinie ebenfalls gemeinschaftliches Interesse zukommt und die europaweit gefährdet sind, wurde deshalb im zentralen Offenlandbereich der Oranienbaumer Heide eine extensive Ganzjahresstandweide mit Heck-Rindern und Konik-Pferden im Rahmen des von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderten Modellprojektes "Pflegemanagement von FFH- Offenlandlebensräumen in der Oranienbaumer Heide“ etabliert. Das Projekt mit einer Laufzeit von Mai 2008 bis April 2011 wird durch die Hochschule Anhalt (FH), Fachbereich Landwirtschaft, Ökotrophologie und Landwirtschaft, koordiniert und wissenschaftlich begleitet. Projektpartner sind das Biosphärenreservat "Mittelelbe", die Primigenius – Köthener Naturschutz und Landschaftspflege gGmbH und der Förder- und Landschaftspflegeverein "Mittelelbe“ e.V. Zu den Kooperationspartnern zählen die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, Bundesforstbetrieb „Mittelelbe“ und die Naturstiftung David. Des weiteren wird das Projekt durch die Stiftung Umwelt, Natur- und Klimaschutz des Landes Sachsen-Anhalt sowie über den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des Ländlichen Raumes gefördert.

Die im Jahr 2008 eingerichtete Weidefläche beträgt gegenwärtig ca. 300 ha und soll bis 2011 sukzessive auf ca. 800 ha erweitert werden. Dabei steht der Erhalt einer halboffenen Weidelandschaft nach naturschutzfachlichen Maßgaben im Vordergrund und nicht eine auf Gewinn orientierte Haltung von Weidetieren. Durch den Besatz mit Rindern und Pferden sollen die artspezifischen Wirkungen hinsichtlich Fraßverhalten, Tritt und Wälztätigkeit gezielt für die Offenhaltung der Lebensraumtypen genutzt werden. Entsprechend den Standortbedingungen wird langfristig eine Besatzstärke von ca. 0,15 Großvieheinheiten/ha angestrebt, was in etwa einem Rind oder einem Pferd auf 6 - 7 ha entspricht. Gegenwärtig befinden sich ca. 40 Heck-Rinder und 14 Konik-Pferde auf der Weidefläche.

Infolge des seit den 1990er Jahren bestehenden Pflegedefizits werden außerdem in ausgewählten Offenlandbereichen Entbuschungsmaßnahmen durchgeführt. Dabei werden immer auch Gehölzstrukturen in Form von Einzelbäumen oder Gebüschen auf der Fläche belassen. Außerhalb der Weide werden z.B. artenreiche Hochstaudenfluren im Umfeld der Mochwiesen am Mühlenbach zwischen Möhlau und Sollnitz gemäht.

Die ersten Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung der extensiven Beweidung zeigen, dass bereits nach 1,5 Jahren im gesamten Gebiet positive Entwicklungen eingesetzt haben. Dazu zählt z.B. eine deutliche Reduzierung der Streuauflage sowie eine Erhöhung der Strukturvielfalt in der Krautschicht. Das konkurrenzstarke Land-Reitgras wurde in allen Lebensraumtypen stark verbissen und somit reduziert. Durch den intensiven Verbiss der Stockausschläge der entkusselten Spätblühender Traubenkirschen durch die Rinder wird eine weitere Ausbreitung dieser neophytischen und invasiven Art unterbunden. Eine vegetative Verjüngung des Heidekrauts hat bereits punktuell, aber gleichmäßig verteilt im Gebiet eingesetzt. Gleichwohl wird die Verbesserung des Erhaltungszustands der Heidekrautbestände längere Zeiträume in Anspruch nehmen als bei gräserdominierten Lebensraumtypen. Die im Jahr 2009 durchgeführten Erfassungen von Avifauna, Tagfalter/Widderchen und Heuschrecken belegen eindrucksvoll den naturschutzfachlichen Wert der Offenlandbereiche in der Oranienbaumer Heide.

Auf der Grundlage eines zwischen allen regionalen Akteuren abgestimmten Wegekonzeptes wird derzeit gezielt nach Möglichkeiten zur Kampfmittelräumung auf den Wanderwegen recherchiert, um mittelfristig sowohl den Anwohnern eine Begehbarkeit und Erlebbarkeit des Gebietes zu ermöglichen als auch um Angebote zur Umweltbildung zu etablieren, ohne dass sich dies nachteilig auf die aktuelle Naturraumausstattung auswirkt.

Vermarktung der Heckringer über Primigenius gGmbH

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